Mit Mahler in den Schlaf lachen

Eine gute Freundin überreichte mir zum Geburtstag einen Ratgeber. Voraussetzung für ein solches Geschenk ist natürlich, dass man ein mehr oder minder schwerwiegendes geistiges oder körperliches Dilemma vorweisen kann, in meinem Fall: Anhaltende Schlaflosigkeit. Ein jeder hat es sicher schon einmal erlebt: Die Zeit läuft gnadenlos davon, während man sich im Bett wälzt und bang die Stunden zählt, die einem bis zum Morgengrauen bleiben. Dabei ist fest zu halten: Grauen ist das treffende Wort. Nichts ist schrecklicher, nichts grausamer, als die ersten fahlen Sonnenstrahlen, die in übernächtigten, rotgeränderten Augen brennen und nichts verabscheuungswürdiger als gutgelaunte - und ausgeschlafene! - Vögel, die einem höhnisch die hochsensiblen Ohren wund zwitschern. In solch weißen Nächten hilft oft nur noch eines: Schwarzer Humor. Den liefert nun der Wiener Illustrator Nicolas Mahler mit seinem großartigen Band Das kleine Einschlafbuch für Große, ein zum Glück gar nicht ernst gemeinter Ratgeber, der mit einem Augenzwinkern die Schlaflosigkeit und den Schlaflosen liebevoll auf den Arm nimmt.

Nicolas Mahler: Das kleine Einschlafbuch für Große

Mahler gelingt es, eine Bandbreite von Aspekten und Ursachen für das fiese Wegbleiben des Schlafes mit Witz, Originalität und psychologischem Gespür zu illustrieren. Und die (Ab)Gründe der Schlaflosigkeit sind mannigfaltig: Gedankenkreisen, Schnarchen des Partners (und das Bedürfnis, diesen zu ersticken), Kummer, Angst, Schuldgefühle usw. Mit seinem minimalistischen Strich und einer ordentlichen Portion Ironie entlarvt er die Absurdität von schlaflosen Nächten: So finden sich Aufforderungen in dem Band wie „Liege still, horche auf deinen Körper und erspüre mögliche Krankheitsherde!“ mit dem anschließenden Tipp: „Google deine Symptome!“. Die dafür passenden Websites liefert er gleich mit: „www.es-sieht-nicht-gut-aus.at, www.bestimmt-ist-es-krebs.net oder www.le-fin.fr".

Mahler gelingt es, dem chronisch Schlaflosen das Lachen beizubringen. Wer schon länger nicht geschlafen hat, der weiß: Darin liegt ein revolutionärer Akt.

Denn der Schlaflose ist verständlicherweise ein eher humorloser Zeitgenosse, übermüdet und mehr Zombie als Mensch, liegt ihm nichts ferner, als über sich selbst zu lachen. Aber wer weiß, vielleicht ist das ja das Geheimnis: Sich nicht in den Schlaf zu grämen, sondern zu lachen. Und zwar so richtig.

Nicolas Mahler: Das kleine Einschlafbuch für Große


Nicolas Mahler: Das kleine Einschlafbuch für Große
Suhrkamp
Flexcover, 144 Seiten
ISBN: 978-3-518-46723-7
Erschienen: 12.09.2016